Mens Sana vs. EA Games & Co.


Hallo, mein Name ist Elsa und ich bin spielsüchtig. Es fing ganz langsam an, ich hatte es lange selbst nicht gemerkt. Früher in meiner Ausbildung habe ich noch über meinen Kollegen gelacht, der morgens verzweifelt am Pausentisch saß und darüber referierte, er habe nun die fleischfressende Pflanze mit dem Hamster gefüttert, aber das habe ihn nicht weitergebracht. Wie sorglos war ich! Tja, jetzt bin ich selbst so weit, dass ich die Menschen in der Straßenbahn frage, wie lange ich eigentlich durch das Fernglas gucken muss, bis mich die Außerirdischen entführen und ich ein grünes Kind bekomme. Wann kommt der Patch raus, der den jumping-bug beseitigt? Sind die Meshes auch beim Erweiterungspack noch spielbar? Ich kann die Überwachungsroboter im Keller nicht mit Wasserpfeilen töten, mein Leben hat keinen Sinn mehr! Ich finde keine Ruhe, ich finde keinen Schlaf; meine Träume sind mittlerweile mit einem Menüfenster umrandet. Gestern ließ ich einen Teller fallen und anstatt die Scherben aufzukehren, wollte ich den letzten


Spielstand laden. Vorm Zubettgehen spreche ich ein Gebet für meine Grafikkarte und wenn ich aus dem Haus gehe, bewundere ich die 3D-Engine meiner Stadt. Im Auftragsmenü (Schwierigkeitsgrad: leicht, Gegner: wenige, Ökonomie: realistisch) heißt es dann: "Suche den Weg zur X-Straße und betritt das Haus mit dem Schlüssel, der sich in Deinem Inventar befindet. Du hast zwanzig Minuten Zeit. Weitere Anweisungen erhältst Du am Zielort."

Ich brauchte dringend Hilfe.

Die Flucht in meine Comicsammlung erwies sich als heimtückischer Rückschlag. Acht Bände von XIII habe ich gekauft, bis ich erfuhr, dass die Story letztens als Ego-Shooter verwurstet wurde. Natürlich war die erfahrungsgegerbte Alkoholikerin, die den amnesierenden Helden zu Beginn aus dem Meer fischt, in der Umsetzung dann eine Baywatch-Nixe in blond und Doppel-D. Da frage ich mich dann schon, ob die Spieleindustrie überhaupt mich als Zielgruppe zur Kenntnis


nehmen will. Anscheinend nicht. "Gut, dann will ich Euch auch nicht," denke ich mir pfiffig und baue aus Protest nur noch sehr hässliche Häuser in der erfolgreichsten Personensimulation aller Zeiten. Sage und schreibe drei Stunden täglich investiere ich in meine Rebellion. Früher hätte ich die gleiche Zeit darauf verschwendet, geringfügig hübschere Bauten liebevoll zu gestalten, aber dabei das System unterstützt. Ha! - Nicht mehr mit mir! Auch gebe ich den verzweifelten Teenies im Hilfeforum nur noch haarsträubend falsche Ratschläge. Dank meines Member-Status merken die das eh erst, wenn sie sich das Spiel total von der Festplatte geschmiert haben. Ich habe eine Mission zu erfüllen, Kollateralschäden sind unvermeidlich.

Fast hätte ich es geschafft. Bis ich morgens um sieben aufgestanden bin und, statt den Rechner zu booten, das Frühstücksfernsehen eingeschaltet habe. Seitdem fröne ich wieder guten Gewissens der Realitätsflucht via Zocke: Und ich weiss jetzt auch, warum!


...auch hier gibt es ein Zurück!